Verstecken und finden
Hase Hubo hält seine Nase schnuppernd in den milden Wind, der sich in den hohen Baumkronen verfängt
„Er ist da! Er ist wirklich da!“, freut sich Hubo und blickt über den Nussbaumhügel. Dann aber spitzt er plötzlich seine Ohren und lauscht. „Da ruft doch Frischling Mopsi! Was hat er denn?“
Hubo springt los, wie er noch nie in seinem Leben losgesprungen ist. Kurz darauf steht er vor der alten knorrigen Eiche und sieht, dass Mopsi vor dem wuchtigen Stamm hockt und nach oben schaut.
„Sie sind weg, Hubo! Alle beide! Verschwunden“, sagt Mopsi traurig.
„Du meinst unsere Eichhörnchen Elle und Iffel, die du vorhin so laut gerufen hast?“, fragt Hubo.
„Ja! Ich hab sie sooo lange nicht gesehen und nicht mit ihnen geredet und gespielt. Sie fehlen mir so sehr.“
„Mach dir keine Sorgen, Mopsi!“, tröstet Hubo. „Der Frühling ist da! Er ist wirklich da! Deshalb sind die beiden bestimmt auf Futtersuche.“
„Das weiß ich doch längst! Ich weiß, dass ihre Winterruhe vorbei ist und dass sie Hunger haben. Aber ich hab sie überall gesucht. Sie sind nirgends!“
„Unser Nussbaumhügel ist groß. Bist du hier, sind sie dort und bist du dort, sind sie schon wieder woanders“, beruhigt ihn Hubo.
„Ich war doch überall! Ich war hier und dort und auch woanders“, beharrt Mopsi.
„Wenn du willst, suchen wir beide gemeinsam“, schlägt Hubo vor.
Mopsi freut sich. „Gleich jetzt und sofort?“
„Gleich jetzt und sofort!“, erwidert Hubo.
Die beiden flitzen los. Sie strecken ihre Köpfe nach oben zu den hohen Baumkronen, sie suchen hinter Büschen und Sträuchern, und sie blicken hinter große Reisighaufen und Erdhügel.
„Siehst du, Hubo!“, seufzt Mopsi. „Elle und Iffel sind verschwunden.“
„Hallo, ihr beiden!“, begrüßt sie Fuchs Funo, der leise auf die beiden zugekommen ist. „Was für ein Lüftchen über unserem Nussbaumhügel! Der Frühling riecht wirklich prima.“
„Hm … Ja …“, erwidert Mopsi.
„Ich hab euch beide vorhin gesehen“, sagt Funo. „Seid ihr auf Schatzsuche? Nichts gefunden? Da kann ich euch helfen, ich finde alles!“
Mopsi sieht Funo zweifelnd an.
„Wirklich alles? Und schnell, ganz schnell?“
„Warum fragst du das? Ich bin ein Fuchs!“, entgegnet Funo.
„Kannst du dann ganz schnell auch zwei Schätze finden?“, fragt Mopsi.
„Zwei Schätze vielleicht sogar noch schneller als einen!“, antwortet Funo. „Ich muss nur wissen, wie sie aussehen, damit ich weiß, wonach ich suchen soll.“
Hubo geht einen Schritt auf Funo zu.
„Die beiden haben glänzendes Fell, lange kuschlige Schwänze und immer gern eine Nuss zwischen ihren Pfötchen“, erklärt Hubo.
„Ach, Elle und Iffel!“, sagt Funo enttäuscht. „Schon gefunden! Vorhin, da drüben auf der Lichtung.“
Mopsi macht einen Luftsprung. „Juchhu! Sie sind nicht verschwunden! Wie geht es ihnen? Sind sie fröhlich?“
„Ja, sehr fröhlich sogar“, erklärt Funo. „Obwohl ich das nicht verstehe, nein, wirklich nicht! Bei dem, was sie gerade erlebt haben … Wie gemein! Wie listig! Wie …“
„Sag doch endlich, was passiert ist!“, unterbricht ihn Hubo.
„Also gut! Elle und Iffel hatten ein paar Nüsse gefunden, verbuddelte vom letzten Herbst. Plötzlich – wusel, wusel – kommt die quirlige Bande Mäusewind, von überall her, aus allen Richtungen … Elle und Iffel freuen sich, die wilde Bande endlich wiederzusehen und über das, was sie so piepst. Dann plötzlich sind die Mäuse ganz fix wieder weg. Und die Nüsse natürlich auch.“
„Oh!“, ruft Mopsi überrascht.
„Sie hatten bestimmt auch Hunger!“, überlegt Hubo.
„Hunger! Das kennen die nervigen Biester doch gar nicht!“, schimpft Funo.
Mopsi hebt die Pfote. „Sie sind nicht nervig und auch keine Biester! Sie sind klug und lustig!“
„Und verfressen!“, entgegnet Funo. „Wenn sie ihre Vorräte auf einmal auffuttern würden, wären sie so dick wie du, Mopsi!“
„Du bist so gemein, Funo!“, ärgert sich Mopsi. „Ich bin nicht dick, ich bin kräftig und stark!“
„Meinetwegen!“, antwortet Funo. „Jedenfalls haben Elle und Iffel gelacht. Naja, ein Fuchs wird Eichhörnchen nie verstehen. Und Mäuse sowieso nicht.“
„Und wo sind Elle und Iffel jetzt?“, fragt Mopsi.
„Sie wollten zurück zur alten knorrigen Eiche!“, erklärt Funo. „Und ich schau jetzt nach meiner Hängematte! Endlich mal wieder in Ruhe eine Runde schaukeln. Macht’s gut, ihr beiden! Viel Spaß mit Elle und Iffel!“
„Und dir beim Schaukeln!“, ruft Mopsi.
Hubo zeigt nach vorn. „Na, dann wissen wir ja jetzt, wohin!“, freut er sich und macht sich mit Mopsi auf den Weg.
Es dauert nicht lange, bis sie die alte knorrige Eiche erreicht haben. Und es dauert auch nicht lange, bis auf einmal jemand ruft: „Hubo! Mopsi! Da seid ihr ja! Wir haben euch überall gesucht!“
Iffel landet als Erste fröhlich vor ihren Freunden.
„Toll, dass wir uns endlich wiedersehen!“, freut sich auch Elle.
„Wir haben euch auch überall gesucht!“, sagt Mopsi glücklich. „Ich hatte sooolche Sehnsucht!“
Auf einmal piepst es aus allen Richtungen und dutzende Mäuse sausen quirlig um Elle, Iffel, Hubo und Mopsi herum. Dabei rufen sie im Chor:
„Vielen Dank für eure Nüsse,
dafür keine Mäuseküsse,
sondern gleich ein paar zurück.
Für euch alle ganz viel Glück!“
Und genauso schnell wie die Mäuse gekommen waren, sind sie auch wieder verschwunden.
„Ja, wir haben im Herbst wirklich ziemlich viele Nüsse versteckt!“, sagt Elle. „Aber jetzt sind sie nicht mehr so lecker, da wachsen bald schon kleine Triebe heraus, für neue Bäumchen, die daraus werden.“
Mopsi schaut mit großen Augen auf die Nüsse. „Hm … Und was futtert ihr jetzt?“
„Frische Triebe von den vielen Nadelbäumen, die hier auch wachsen rund um unseren Nussbaumhügel. Und dies und das“, sagt Elle.
„Achso!“, staunt Mopsi. „Und warum habt ihr dann Nüsse ausgebuddelt?“
„Na, vielleicht schmeckt die eine oder andere ja doch noch! Und weil es großen Spaß macht, wiederzufinden, was man versteckt hat.“
„Stimmt!“, freut sich Mopsi. „Verstecken macht Spaß und etwas suchen und dann finden, noch viel mehr!“
„Ja, das geht wohl allen so!“, sagt die Weiße Eule Euronia leise, während sie geräuschlos und unbemerkt über Elle, Iffel, Hubo und Mopsi kreist. Und die haben noch einen sehr langen und sehr fröhlichen Tag.
Genau wie Funo in seiner Hängematte, wenn die Mäusebande Wirbelwind ihn nicht wieder … Aber das ist eine ganz andere Geschichte … |
|
